Auf den ersten Blick mag es unsinnig sein, so bürgerlich besetzte Möbel wie Stehpulte in Kirchen zu vermuten. Schließlich wird hier weder humanistische Wissenschaft, noch Dichtung oder kaufmännisches Rechnen betrieben.

In den Studierstuben mittelalterlicher Mönche

Nicht immer war der Schreibtisch das Standardmöbel für geistiges und schriftliches Arbeiten. Gerade im sakralen Bereich finden wir für die frühen Jahrhunderte der Kirchengeschichte große Stehpulte als Ablage für die geistlichen und wissenschaftlichen Schriften, mit denen das Wissen in den Klöstern von Generation zu Generation weitergegeben wurde.

Auch für das Kopieren der Schriften und damit für die Erstellung der kostbaren klösterlichen Handschriften kamen Stehpulte zum Einsatz. Hand und Kopf blieben so freier für die Ausführung dieser künstlerischen, aber auch hochkonzentrierten Tätigkeit.

Stehpulte in Kirchen: das Wort in der Messe

Trotz der langen zeitlichen Distanz sind aus den mittelalterlichen Schreibstuben immer noch Schriften, allen voran natürlich kostbare Evangeliare und Heilige Schriften erhalten. Trotz der liturgischen Ausrichtung der katholischen Messe auf das Sakrament der heiligen Kommunion hatte die Lehre des Wortes eine nicht minder wichtige Bedeutung.

Während im zweiten Teil der Messe dem Opfercharakter der Kommunion entsprechend der Altar der Ort der liturgischen Handlung ist, werden im ersten Teil Stehpulte auch in Kirchen dafür eingesetzt, die Worte der Bibel vorzutragen und in der Predigt zu kommentieren oder die Lehren für das Leben der Gläubigen daraus abzuleiten.

Dieses im liturgischen Rahmen Ambo genannte Stehpult ist natürlich oft mit geistlichen Symbolen oder nach dem Geschmack der Epoche seines Entstehens ausgestattet. Hervorgehoben wird die Lehre durch Autoritätspersonen nicht zuletzt mit dem Einbau in eine erhöhte Kanzel.

Das Wort als zentrales Element im protestantischen Gottesdienst

Mit dem Ziel der Rückbesinnung auf die zentralen Elemente der christlichen Lehre rückte das Wort vor allem in den Fokus der Reformatoren und ihre Vorstellung von der Gestaltung des Gottesdienstes. Die räumliche Anordnung wurde dabei nicht wesentlich geändert.

Die Schriftlesung verlangte nach Stehpulten auch in Kirchen protestantischen Bekenntnisses. Nicht einmal die erhöhte Kanzel fiel der Reformation zum Opfer. Sie gewann sogar an Bedeutung, auch wenn sie insbesondere in reformierten Landesherrschaften und unter puristischen Kirchenlehrern an Pracht einbüßte.

Aber gerade in neuerer Zeit, die bei allen Konfessionen nicht zuletzt aus Kostengründen schlichte und klare Formen in die Gestaltung der Kirchen bringt, lassen die Stehpulte in den Kirchen ihren zweckmäßigen Ursprung erkennen und dienen bis auf gegebenenfalls eingearbeitete Elemente religiöser Symbolik wieder im Wesentlichen ihrem ursprünglichen Zweck.